Wenig Chancen bei Verfahren gegen Schweizer Steuerbehörden
Wenig Chancen gegen Steuerbehörden. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) ist überschwänglich mit Eigenlob, wonach sie „seit Bestehen ihres Strafdienstes 1995 noch kein Steuerstrafverfahren verloren habe“ (Die Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV – Ein Porträt, 7. Auflage 2017, Seite 8). Dieses Eigenlob wird unterstützt durch eine kürzlich erstellte Masterarbeit von Delia Amrein, wonach die Erfolgsaussichten der Steuerpflichtigen, als Beschwerdeführer vor dem Bundesgericht zu obsiegen, bei rund 11% liegen. Bei Verfahren im Bereich der Mehrwertsteuer und der Verrechnungssteuer liegen die Chancen des Steuerpflichtigen sogar bei nur 7%, sind also nahezu aussichtslos (Daniela Amrein/Charles Hermann, STEUER REVUE 4/2024; https://steuerportal.ch/fachartikel/in-dubio-pro-fisco/). Die der Masterarbeit zugrunde liegende Studie analysierte 200 Urteile des Bundesgerichts und nutzte eine Datenbank mit rund 1700 Bundesgerichtsentscheiden aus den Jahren 2007 bis 2022. Dabei sei ergänzt, dass es sich hierbei nur um die Spitze des Eisbergs handeln dürfte, da nur die Erfolge vor Bundesgericht ausgewertet wurden. Viele Steuerpflichtige dürften nach den erst- und zweitinstanzlichen Urteilen aufgegeben haben, weil ihnen die zeitlichen, finanziellen oder emotionalen Ressourcen ausgingen.
Die Spitze des Eisbergs
Die Masterarbeit analysierte die Gründe, warum das Bundesgericht in Lausanne, inklusive dem Bundesstrafgericht in Bellinzona, quasi nie den Steuerpflichtigen, sondern fast immer die Steuerbehörde schützen: dies liegt nicht etwa daran, dass die Schweizer Steuerbehörden, allen voran die ESTV besonders gesetzestreu und genau arbeiten, sondern dass die Gerichte als sehr regimetreu eingestuft werden müssen. Somit ist der Stolz der ESTV, seit 1995 noch kein Steuerstrafverfahren verloren zu haben, nicht Ausdruck einer hervorragenden Arbeit, sondern das Resultat einer schwachen Gerichtsbarkeit. Da aber ein gut funktionierender Rechtsstaat sich gerade dadurch kennzeichnet, dass die drei Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative strikt getrennt sind und je über eine Macht auf Augenhöhe verfügen, ist die Selbst-Beweihräucherung der ESTV der Beweis eines Missstandes.
Lichtblicke am Steuerhimmel
Immerhin gibt es auch Lichtblicke für die Steuerpflichtigen: das Obergericht Zürich und das Bezirksgericht Solothurn haben kürzlich der übereifrigen ESTV Grenzen gesetzt und ungerechtfertigte Verfahren dieser Behörde eingestellt. Allerdings war es bei diesen Verfahren notwendig, dass der Steuerpflichtige Durchhaltewillen zeigte: die jahrelangen Verfahren der ESTV mussten konsequent gekontert werden, um dann die Überweisung der Fälle an die kantonalen Gerichte zu verlangen. Die volksgewählten kantonalen Gerichte scheinen eher willens zu sein, nicht zu einer willfährigen Verwaltungsbehörde zu mutieren, sondern ein starkes Gewicht gegenüber den Steuerverwaltungen darzustellen und die Rechte der Bürger zu verteidigen.
Beitragsbild: © pixelio, ID: 684945
zur Person
Dr. Leonz Meyer ist Rechtsanwalt bei der Eversheds Sutherland AG in Zürich. Er bekleidet selbst Verwaltungsratsmandate und berät Personen in gleichnamiger Funktion bei Verfahren vor Behörden und Gerichten. Zudem hat er das Netzwerk www.boardfinder.org mitgegründet, auf dem sich erfahrene Geschäftsleute für die Übernahme von VR-Mandaten anbieten. evershedssutherland.com